China gilt als die Wiege des Tees. Kaum ein anderes Land ist so eng mit der Geschichte, der Philosophie und der Kunst des Teetrinkens verbunden. Ob grün, schwarz, weiß, gelb oder Oolong – nahezu jede bedeutende Teesorte hat ihre Wurzeln im Reich der Mitte. Doch chinesischer Tee ist weit mehr als ein Getränk: Er steht für Harmonie, Achtsamkeit und kulturelle Tradition, die bis heute lebendig ist.
Die Geschichte des Tees beginnt in China
Die Legende vom Ursprung des Tees
Der Beginn der chinesischen Teekultur reicht über 4.000 Jahre zurück. Der Legende nach entdeckte Kaiser Shen Nong im Jahr 2737 v. Chr. den Tee zufällig: Während er Wasser kochte, wehte der Wind einige Blätter eines wilden Teestrauchs in den Kessel. Der angenehme Duft und der erfrischende Geschmack des Aufgusses begeisterten ihn – und der Tee war geboren
Diese Legende zeigt, wie tief der Tee in der chinesischen Kultur verwurzelt ist – als Geschenk der Natur, das Körper und Geist in Einklang bringt.
Vielfalt der chinesischen Teesorten
China ist das Land mit der größten Teevielfalt weltweit. Jede Region hat ihre eigenen Spezialitäten, geprägt von Klima, Bodenbeschaffenheit und traditionellem Handwerk.
Chinesischer Tee zeichnet sich durch eine beeindruckende Vielfalt aus
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Grüner Tee (Lǜ Chá, 绿茶):
Unfermentiert und besonders frisch im Geschmack. Berühmte Sorten sind Longjing (Drachenbrunnentee) aus Hangzhou und Biluochun vom Taihu-See, bekannt für ihre zarten Blätter und ihr süßlich-nussiges Aroma -
Schwarzer Tee (Hóng Chá, 红茶):
In China als „Roter Tee“ bezeichnet, da der Aufguss rot schimmert. Bekannte Sorten sind Keemun aus Anhui und Yunnan Dian Hong, die durch ihre Wärme und Süße überzeugen -
Oolong Tee (Wūlóng Chá, 乌龙茶):
Halbfermentiert und besonders komplex im Geschmack. Klassiker wie Tie Guan Yin oder Da Hong Pao vereinen florale, fruchtige und geröstete Noten -
Weißer Tee (Bái Chá, 白茶):
Nur minimal verarbeitet, mit feinen, silbrigen Knospen. Bai Hao Yin Zhen (Silbernadel) aus Fujian gilt als edelste Sorte, sanft und leicht süßlich -
Pu-Erh Tee (Pǔ’ěr Chá, 普洱茶):
Postfermentierter Tee aus der Provinz Yunnan. Diese Tees reifen ähnlich wie Wein und entwickeln über Jahre ein erdiges, tiefes Aroma.
Die Kunst der chinesischen Teezeremonie
Die chinesische Teezeremonie, Gong Fu Cha genannt, ist eine Form der Meditation. Sie legt Wert auf Achtsamkeit: vom Erhitzen des Wassers über die Wahl des richtigen Geschirrs bis hin zum feinen Duft des ersten Aufgusses. Ziel ist es, den Tee mit allen Sinnen zu erfahren – als Moment der Ruhe und des Gleichgewichts.
In traditionellen Teehäusern in Hangzhou, Chengdu oder Kunming wird dieser Geist bis heute gepflegt. Das gemeinsame Teetrinken steht dort für Gastfreundschaft und kulturellen Austausch.
Gong Fu Cha - die klassische chinesische Teezeremonie
Tee als Spiegel chinesischer Philosophie
Im Daoismus und Konfuzianismus spielt Tee eine symbolische Rolle. Er steht für Einfachheit, Natürlichkeit und Harmonie. Viele chinesische Dichter wie Lu Yu – der im 8. Jahrhundert das erste „Buch vom Tee“ schrieb – sahen im Teegenuss einen Weg zur inneren Klarheit.
Noch heute gilt das Teetrinken in China als tägliches Ritual der Achtsamkeit, das Körper, Geist und Gemeinschaft verbindet.
Wie England den China-Tee eroberte – und die Welt veränderte
Die Engländer haben eine zentrale Rolle dabei gespielt, wie chinesischer Tee nach Europa kam, wie er zur Massenware wurde – und wie daraus später der weltweite Teehandel entstand.

Von China nach London – der Weg des Tees
Erste Importe aus China
- Im 17. Jahrhundert begann der Tee über die niederländische Ostindien-Kompanie nach Europa zu kommen, zuerst in die Niederlande, dann nach England
- Ab 1669 übernahm die britische East India Company das Monopol auf den Teehandel mit China und machte Tee Schritt für Schritt in England bekannt
Zwei europäische Handelsgesellschaften dominierten zu dieser Zeit den Handel mit Asien
Die Niederländische Ostindien-Kompanie (VOC) und die Britische East India Trading Company (EIC) waren die beiden mächtigsten europäischen Handelsgesellschaften während der Frühen Neuzeit. Beide kontrollierten den Handel mit Asien, doch es gab entscheidende Unterschiede in ihrer Organisation, Macht und Einfluss.
- Die VOC wurde 1602 gegründet und war die erste Aktiengesellschaft der Welt mit einem Handelsmonopol zwischen den Niederlanden und Asien. Sie dominierte lange Zeit den Gewürzhandel und war besonders stark in Südostasien (Java, Molukken) sowie beim Handel mit China, vor allem mit Tee, Seide und Porzellan
- Die EIC wurde 1600 gegründet und besaß ein ähnliches Monopol für England. Zunächst konnte sie sich gegen die VOC nicht durchsetzen, doch ab dem späten 17. Jahrhundert wurde sie eine ernsthafte Konkurrentin, besonders im Teehandel und in Indien. Im 18. Jahrhundert übernahm die EIC faktisch die politische Kontrolle über große Teile Indiens und entwickelte sich zu einer Kolonialmacht.
Tee wird englisches Nationalgetränk
- Zwischen etwa 1650 und 1700 verbreitete sich Tee in Londoner Coffee Houses und dann in „Tea Houses“; zunächst war Tee ein Luxusgut für Adel und wohlhabende Bürger
- Im 18. und 19. Jahrhundert stiegen die Importe aus China massiv an, und Tee wurde zum Alltagsgetränk in Großbritannien – eng verbunden mit Ritualen wie „Afternoon Tea“ und „Five o’clock Tea“
Vom Importgut zum britischen Nationalgetränk
Abhängigkeit von chinesischem Tee
- Lange Zeit kam praktisch der gesamte Tee der Briten aus China, vor allem über den stark regulierten Hafen von Kanton; China hielt Anbau- und Verarbeitungswissen streng geheim
- Die Briten mussten den Tee größtenteils mit Silber bezahlen, was England wirtschaftlich stark belastete und ein Handelsungleichgewicht zugunsten Chinas erzeugte
Opiumhandel und Opiumkriege
- Um das Silberproblem zu lösen, förderten britische Akteure den Export von Opium aus Indien nach China; die daraus erzielten Gewinne nutzten sie, um chinesischen Tee zu kaufen
- Die chinesischen Versuche, den Opiumhandel zu stoppen, führten zum Ersten Opiumkrieg (1839–1842), nach dem Großbritannien unter anderem Hongkong erhielt und mehrere Häfen für den Teehandel öffnen konnte

Teeanbau außerhalb Chinas
- Um sich vom chinesischen Monopol zu lösen, ließen die Briten im 19. Jahrhundert Teepflanzen, Samen und Know-how aus China nach Indien und später nach Ceylon (Sri Lanka) bringen
- Botaniker wie Robert Fortune schmuggelten ab den 1840er-Jahren zehntausende Setzlinge und chinesische Teemeister nach Indien; daraus entstanden die bekannten Anbaugebiete Assam und Darjeeling
Ergebnis für „China-Tee“
- Die englische Nachfrage machte Tee aus China in Europa populär und prägte das Bild vom „China-Tee“ als hochwertiger Importware
- Gleichzeitig führte der britische Kolonial- und Handelspolitik dazu, dass der globale Teemarkt sich von China löste und heute Länder wie Indien, Sri Lanka und später auch Kenia und andere Produzenten eine große Rolle spielen.
China an der Spitze – Wer den globalen Teemarkt heute beherrscht
China ist nach wie vor der führende Produzent und Exporteur von Tee weltweit. Laut aktuellen Daten produziert China jährlich über 13 Millionen Tonnen Tee und liegt damit deutlich vor Indien, Kenia und Sri Lanka. Auch im Exportbereich ist China Spitzenreiter, gefolgt von Sri Lanka, Indien und Kenia.
China dominiert die globale Teeproduktion
Allerdings ist der globale Teemarkt mittlerweile sehr diversifiziert: Während China die größte Menge produziert und vor allem grünen Tee liefert, sind Länder wie Indien, Sri Lanka und Kenia besonders für schwarzen Tee bekannt und dominieren bestimmte Marktsegmente. Die Nachfrage nach Tee steigt weltweit, und auch neue Anbaugebiete wie Vietnam oder Bangladesch gewinnen an Bedeutung.
China beherrscht den Teemarkt weiterhin durch Menge und Vielfalt, aber andere Länder sind ebenfalls zentral für bestimmte Sorten und Märkte.
Fazit: Chinesischer Tee – Eine Welt für sich
Wer chinesischen Tee trinkt, erlebt mehr als nur Geschmack. Jede Tasse erzählt eine Geschichte von Tradition, Natur und Handwerkskunst. Egal ob du dich für den frischen Longjing, den blumigen Tie Guan Yin oder den reifen Pu-Erh entscheidest – mit chinesischem Tee tauchst du in eine jahrtausendealte Kultur ein, die bis heute Menschen auf der ganzen Welt inspiriert.
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